Din Exil

Cugetari nocturne din exil

Es floss viel Wasser den Somesch hinunter

June 27, 2022 — C. Berce

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Sohne, die hiessen Itzik, Schtrul und Mojsche.

Eines Tages rief er sie zu sich und sagte: «Meine lieben Sohne, ich bin schon alt, und wenn der Allmächtige will, werde ich noch einige Jahre oder mehr leben; wenn er aber morgen oder übermorgen mich zu sich ruft, dann muss ich gehn. Das Leben gehört nicht uns, wir haben es nur für eine gewisse Zeit bekommen und müssen, wenn der Allmächtige will, es wieder zurückgeben. Wann das sein wird, weiss niemand.» So sprach der alte Mann zu seinen Söhnen, die schon erwachsen waren.

Itzik und Schtrul waren gross und stattlich, sie sahen gut aus; nur der Mojsche, der kleine, war ein bisschen schwächlich, weshalb ihn auch niemand ernst nahm, ja, man lachte oft über ihn, und die Leute im Dorf sagten: «Der Mojschele is a prostiker Jingatsch.»

Als nun die drei Sohne vor ihm standen, sagte der Mann: «Ich hab hier drei Geschenke, die ich euch auf den Lebensweg mitgeben will; jeder darf sich eines auswählen: der Erstgeborene zuerst, dann der Zweitgeborene und der Kleinste zuletzt»

Dann führte er sie in die gute Stube, die man nur an Feiertagen betrat. Auf dem Tisch befand sich ein Säckchen mit Goldmünzen, eine neue, blankgeputzte Pistole und ein Häufchen Erde.

Nu, was war da viel zu überlegen? Der Itzik nahm die Goldmünzen, der Schtrul die Pistole, und der Mojsche bekam das Häufchen Erde und wurde von allen Leuten im Dorf ausgelacht.

Der Mann segnete nun seine drei Sohne, und die beiden grosseren, Itzik und Schtrul, zogen hinaus in die weite Welt, um ihr Gluck zu machen. Das war ja auch gar nicht so schwer, denn der Itzik hatte das viele Geld, und so gründete er in der Stadt eine Bank, lieh Geld aus an die Dummen und Leichtsinnigen, nahm dann grosse Zinsen, und so wurde aus seinem Geld mehr und immer mehr, und er brachte es zu grossem Reichtum.

Der Zweitgrosste, der Schtrul, begab sich zu den Schmugglern, die von oben aus Galizien und dem Theresiental Waren brachten und sie an der Sathmarer Grenze fur Wein und Schnaps eintauschten. Weil er eine so gute Pistole hatte, wurde er bald der Anführer aller Schmugglerbanden; man fürchtete und achtete ihn, denn er verstand keinen Spass, und wenn jemand ihm nicht gehorchte, zog er sogleich die Pistole, zielte und schoss dem anderen erst einmal ein Loch in die Katschule oder in den Hut - je nachdem, ob es ein Rumäne oder ein Jude war. So einer war der Schtrul.

Nun, der dritte Sohn des alten Mannes, der Mojschele, der kleine, der hatte ja nur das Häufchen Erde bekommen, und das bedeutete, dass ihm das Feld hinter dem Haus gehörte, dazu noch ein Pflug, zwei Ochsen, ein paar Schafe und Gänse, aber nicht so viele, wie die Schwaben haben (da gibt es welche, die haben so fünfzig Gänse oder auch mehr, der Mojschele aber, der hatte nur sieben).

So wurde er nun das, was sein Vater gewesen war, sein Grossvater und alle anderen Männer in der Familie: Er wurde Bauer (was blieb ihm auch schon anders übrig, er hatte ja das Häufchen Erde bekommen).

So pflügte er jahraus, jahrein sein Feld, und weil er so fleissig war, brachte auch er es nach einiger Zeit zu einem gewissen Wohlstand: Die Zahl seiner Gänse mehrte sich, er hatte nun bald etwa zwanzig von dem fetten Federvieh, und Schafe hatte er auch so bald dreissig Stuck. Und so heiratete er eines Tages die Tochter von einem jüdischen Bauern, kein so schönes und auch kein so reiches Mädchen, aber dafür fleissig; und sie schenkte ihm ein halbes Dutzend Kinder, davon vier Jungen, und das ist wohl das grösste Gluck, das man haben kann.

Seine beiden Bruder hatten, wie das so in der Fremde geschieht, wenn einer fortzieht und vergisst, was er ist und woher er kommt, gojsche Frauen geheiratet - Tochter von reichen Vätern, und Geld zieht zu Geld, sie waren auch reicher geworden, aber glücklicher als ihr Bruder, der Bauer? Ich wurde meinen, sie waren es nicht.

Die Jahre vergingen. Es floss viel Wasser den Somesch hinunter, viel Schnee brachte der Wind, wenn er aus der Pussta wehte, viele Menschen wurden geboren, und viele Menschen mussten sterben; es verging viel Zeit.

Und eines Tages verliess den grossen Bankier Itzik das Gluck, er hatte Geld an solche Leute ausgeliehen, die es nicht mehr zurückzahlen konnten, und da wurde er sehr rasch ein ganz armer Mann, so arm, dass er sein schönes grosses Haus verlassen musste, mit einer Trajsta am Rücken und einem Stock in der Hand, denn mehr gehörte ihm nicht mehr. Und wie das so ist: Auch seine Frau gehörte ihm nicht mehr, die schone, reiche, gojsche Frau. Was brauchte die jetzt noch einen armen ruptichen Juden? Sie drehte ihm einfach den Rucken zu und sagte: »Ich kenn dich nicht mehr!« Und damit war's aus.

Doch auch der Schtrul, der mutige Heiduck und Schmuggler, hatte Pech. Eines Nachts wurde seine Bande von den Grenzsoldaten gefangen, und nur er konnte sich retten und floh auf seinem Pferd das Theresiental hinauf bis zum Tscheremousch, wo die tiefen Walder sind, und entkam so seinen Verfolgern. Aber nun hatte er auch alles verloren, und seine Frau wollte nichts mehr von ihm wissen. Sie kehrte zu ihren Eltern nach Sathmar zurück und vergass sehr bald den Schtrul.

Nu, was sollten die beiden jetzt tun? Ohne Geld, ohne Freunde, ohne nichts und noch viel weniger dazu.

So erinnerten sie sich an das kleine jiidische Dorf, an ihren Pater und an den Bruder Mojschele, und sie beschlossen zurückzukehren. Eines schonen Tages standen die beiden nun wieder vor ihrem Vater, der schon sehr alt war, aber noch gut sehen und hören konnte, wenn er auch ein wenig gebeugt ging.

Nachdem sie sich umarmt und vor Freude ein wenig geweint hatten, fragte er sie: «Na, wie ist es euch ergangen? Seid ihr reich geworden? Habt ihr gute Frauen bekommen, die euch viele Kinder geschenkt haben?» Solche Fragen und andere stellte er ihnen.

Sie aber schwiegen beschämt, denn weder waren sie reich geworden - das heisst, kurze Zeit ist es ihnen recht gutgegangen -, noch hatten ihre Frauen ihnen Kinder geschenkt, denn die waren eitel und putzsüchtig, dumm und schon gewesen, mehr nicht.

«Nichts haben wir, Tate, gurnischts», sagten sie und blickten zu Boden .

«Azoy wisst ihr, wie das so ist im Leben», sprach nun der Vater, «und vielleicht ist es noch nicht zu spät, und ihr könnt daraus was lernen. Ihr habt nach dem Gold und der Waffe gegriffen. Euer Bruder aber, über den ihr damals gelacht habt, hat die Erde bekommen, er ist, was sollte er auch anderes tun, Bauer geworden. Dach nun ist er der Reiche, und ihr seid die Armen!»

Das war der grosse Augenblick für Mojsche. Er rief seine sechs Kinder herbei und stellte sie einzeln vor, und ganz zuletzt kam auch seine Frau, die Anna, aus der Küche, trocknete die Hände an der Schürze ab und begrüssste die Bruder ihres Mannes.

Was geschah nun mit den beiden Spitzigen? Ja, was konnte schon viel geschehn? Sie wurden Knechte beim rumänischer Gutsbesitzer.

Nach einiger Zeit brachte es der ltzik gar zum Stallmeister, und der Schtrul trieb jeden Morgen die Rinder auf die Weide. Und wenn sie abends sehr müde auf ihrem Strohsack lagen, dachten sie oft darüber nach, was ihnen eines Tages der alte Rebbe aus dem Dorf gesagt hatte: nämlich, dass es besser ist, wenn man weniger haben will und dann vom Leben mehr bekommt, als wenn man nach vielen Dingen greift und dann plötzlich mit leeren Händen dasteht.

Tags: golus, cugetari

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